16. Oktober: Downloads - Rettung aus der Musikkrise?
Liebe Freunde von “Danza y Movimiento”!
Dies ist nun endlich die langersehnte und von mir selber immer wieder
vor mir hergeschobene Mail zum Thema “Downloads - Rettung aus der
Musikkrise?”! Das Problem bei diesem Thema ist, dass es wenig Fakten,
eine Menge Meinungen und eine Unzahl unterschiedlicher Prognosen gibt.
Dabei sind alle mir bekannten Prognosen auf Meinungen basiert. Ich
selber ändere meine Meinung zum Thema Download ständig und bleibe
dabei, den Markt aufmerksam zu beobachten.
Eins ist tendenziell klar abzusehen: Die Bedeutung von Downloads zur
Verbreitung von Musik nimmt unaufhaltsam zu. Ein grosser Anteil von
Musik wird in wenigen Jahren über das Internet zum Konsumenten
gelangen, der eine umfassende Musikbibliothek auf seinem Rechner,
MP3-Player oder Handy verwalten wird und nach Bedarf hören wird,
wonach ihm/ihr beliebt. Technisch gibt es da keine Probleme. Handys
werden schon in wenigen Monaten mit 4Gigabyte Speicherplatz zur
Verfügung stehen. Das entspricht dem Speicherplatz meines Laptops aus
dem Jahr 2001, an dem ich immer noch arbeite. MP3-Player mit 40
Gigabyte sind heute schon normal und jeder Rechner wird in kurzer Zeit
standardmässig mit einer 400-Gigabyte-Festplatte ausgerüstet sein.
Digitale Datenspeicherung, kein Problem. Sie werden sehen, wie einfach
das wird.
Bzw. werden könnte. Die grossen Plattenfirmen gehen anscheinend nach
den katastrophalen Umsatzeinbrüchen der vergangenen Jahre davon aus,
dass sie mit Musik eh kein Geld mehr verdienen werden. Womit sich Geld
verdienen lässt, hat ihnen ausgerechnet eine Firma vorgemacht, die mit
Musik wirklich gar nichts am Hut hat, nämlich die Computerfirma Apple.
Die Jungs (-sorry, aber von einer Frau habe ich bei Apple noch nichts
gehört-) haben den bisher grössten Downloadshop der Welt aufgemacht.
Und haben damit auch schon ein paar hundert Millionen Einzeltitel
(Tracks) verkauft. Das Ganze zum Einheitspreis von 99US-Cent pro
Track. Verdienen tun sie an der Musik gar nichts. Im Gegenteil, sie sind
sogar bereit für die Musik was draufzuzahlen. Warum? Die Musik dient
nur zur Vermarktung eines kleinen Gerätes, das sich inzwischen
millionenfach verkauft hat, den Namen I-Pod trägt und der Computerfirma
im vergangenen Jahr eine Verdreifachung des Jahresumsatzes beschert hat.
Schlau die Jungs! Kleiner Nebeneffekt zur Kundenbindung: Auf einem
I-Pod lassen sich nur Musikdateien abspielen, die aus dem Appleshop
geladen wurden. (redaktionelle Anmerkung: Diese letzte Info ist falsch
und wird in einem der folgenden Newsletter richtiggestellt ...)
Das fanden die Leute von Sony etc. natürlich toll. Sie und andere Firmen
auch bauten bzw. bauen jetzt Downloadshops, auf denen eine Menge
Musikdateien gespeichert sind, die nach Kauf durch den Konsumenten nur
auf hauseigenen Geräten abspielbar sind. Wie diese schwachsinnige
Entwicklung in einem Jahr aussehen wird? Nobody knows ... Oder hatten
Sie vor, sich sieben verschiedene Player zuzulegen, damit Sie den
gesuchten Salsatitel, den es bei Sony nicht gab, bei Apple kaufen um ihn
dann auf dem Apple-Player (I-pod) zu hören?
Aber damit nicht genug: Fieberhaft arbeiten alle Firmen am DRM. Soll
heissen Digital Rights Mangment, wäre allerdings besser mit Digtal
Restriction Management zu übersetzen. Ein Blick in die deutschen Shops
von Aol, Finetunes oder Musicload zeigt worum es geht: Mit jedem
heruntergeladenen Titel erwerben Sie ein paar Rechte. Sie dürfen die
Musik nämlich hören. Bei vielen dürfen Sie hören so oft Sie möchten,
aber auch das ist beim DRM nicht selbstverständlich. Bei manchen
Anbietern ist nach ein paar Wochen nämlich Schluss mit hören. Ernsthaft,
der Titel den Sie gekauft haben finden Sie dann nicht mehr auf Ihrem
Rechner. Er ist weg. Meist wird Ihnen jedoch nur verboten, den Titel
mehr als 3x zu brennen. Ohne hier weiter in technische Details
einzusteigen - es soll Ihnen vorgeschrieben werden, was Sie mit Ihrer
Musik tun dürfen und was nicht.
Diese vollkommen dämlichen Versuche den Kunden zu gängeln haben
einen nicht unwichtigen Hintergrund: Es sind verzweifelte
Anstrengungen, die kostenlose Verbreitung von Musik zu unterbinden.
Diese Intention ist grundsätzlich richtig, denn von irgendetwas wollen die
Leute, die Musik machen und mit ihr arbeiten ja leben. Ob bei diesen
Kontrollversuchen durch das DRM die richtigen Mittel gewählt werden,
möchte ich aber stark bezweifeln. Der Konsument (Sie!:-)) ist heute
verunsichert und verärgert. Und das zu Recht. DRM und Kopierschutz
schaffen Unsicherheiten und reale Ärgernisse. Was soll’s, wenn ich mir
eine CD kaufe, die nur in bestimmen Playern funktioniert und im PC
schon gar nicht!? (Ich höre z.B. 90% meiner Musik aus dem
PC-Laufwerk. Und bei kopiergeschützen CDs könen wir Ihnen in unserem
Webshop nicht einmal mehr Soundsampels geben. Entsprechend sinken
die Verkaufszahlen der CDs noch mehr ...) Und was soll’s, wenn ich einen
Tangotrack bei Sony Connect kaufe und ihn in meinem I-Pod nicht
abspielen kann!?
Doch noch ein weiteres Thema im Zusammenhang mit Downloads wirft
Fragen auf: Die Preisgestaltung. Auch der von Apple zur Markteinführung
des Downloadshops gesetzte Standard von 0,99 Cent egal ob Euro oder
Dollar ist vielen noch zu viel. Mal abgesehen davon, dass mit dem in den
Startlöchern befindlichen Shop von Herrn Gates (-es war abzusehen, dass
Microsoft auch diesen Erfolg eines kleineren Mitbewerbers kopieren
würde, denn immerhin hat Microsoft in seiner Geschichte wohl bisher
keine wirklich kreative eigene Idee entwickelt-) in Kürze ein Preiskampf
entstehen wird, bei dem der 99cent-Standard kaum zu halten sein wird. Da
freuen sich dann die, die eh keine 99 Cent zahlen möchten und die am
liebsten immer alles umsonst haben möchten. Doch zurück zu den 99
Cent: Da gehen in Deutschland erst einmal 16% Mehrwertsteuer runter.
Bleiben 83 Cent. Als nächstes kommt die GEMA als Vertreterin von
Urhebern und Verlegern. Die wollte bei unserer unseren Recherchen für
einen Downloadshop von “Danza y Movimiento” vor wenigen Monaten
noch 25 Cent pro angefangener 5 Minuten. Das war ernst gemeint. Ich
habe der GEMA daraufhin geschrieben, dass dies einem Vertiebsverbot
für Musik gleichkäme. Das war der GEMA egal. Unser Projekt wurde
daraufhn erstmal auf Eis gelegt. Inzwischen haben die Verbände etwa
12% ausgehandelt. Nehmen wir die 12% bleiben 71 Cent übrig. Als
nächstes steht der Onlineshop selber. Hier 20% anzusetzen ist realistisch.
Bleiben 51 Cent. Als nächstes entstehen Gebühren für die
Zahlungsabwicklung. Da es sich um Kleinstberäge handelt, schlagen hier
einige spezialisierte Anbieter für Micropayment ganz gut zu und nehmen
bis zu 35% des Verkaufspreises. Nehmen wir für unsere Rechnung nur
20% bleiben 21 Cent für die Tonrägerfirma, das Marketing, den Künstler
und den Produzenten. Was eine CD-Produktion kostet war schon Thema
eines vorangegangenen Newsletters:
http://www.danzaymovimiento.com/news/de/2004-06-23.html
Sie dürfen gerne mal rechnen, wie viele einzelne Tracks von dem neuen
Tonträger per Download verkauft werden müssten, damit überhaupt die
Kosten der Produktion eingefahren werden. Aber ich will hier gar nicht
weiter rummeckern - es gibt Experten die schätzen, dass das
Herunterladen eines einzelnen Tracks zwischen 1,99 und 2,49 Euro liegen
müsste um gewinnbringend zu sein.
Nachteil von solchen Preisen: Wer will das zahlen? Dann doch lieber nach
dem Motto der Internettauschbörsen: Einer kauft sich die CD und alle
anderen kopieren sich die Tracks, die sie gerne haben möchten. Kostenlos
versteht sich.
Ja, da bleiben doch eine Menge Fragen offen. Velleicht verstehen Sie,
warum ich diesen Newsletter so lange vor mir hergeschoben habe. Ich
hätte gerne inspirierende Ideen oder Antworten geliefert, habe aber
diesbezüglich leider keine.
Im Moment gibt es heisse Diskussionen zu Alternativen zu dem ganzen
DRM-Quatsch. Der wohl prominenteste Ansatz ist der vor Kurzem auch
bei Spiegel-Online diskutierten Kulturflatrate. Dies wird Thema eines
weiteren Themennewsletters sein, der allerdings wieder ein paar Wochen
auf sich warten lassen wird. Nicht weil mir nichts dazu einfiele, aber zum
einen muss ich mich jetzt erst einmal wieder mit anderen Dingen
beschäftigen, zum anderen möchte ich gerne noch ein paar Informationen
abwarten, die ich zu diesem Thema voraussichtlich im November
bekommen werde.
Aber keine Angst, es geht schon weiter und irgendwas werden wir uns
schon einfallen lassen. Livemusik wird’s immer geben und im
schlimmsten Fall reisen Sie eben mit uns nach Kuba oder Argentinien, um
Salsa oder Tango hautnah zu erleben ... :-)
Viel Spass weiter mit uns!
Matthias Möbius